Ich bin Single und schüchtern. Beides schon ziemlich lange. Als ich vergangenes Wochenende also dem Schisser in der Hose den Stinkefinger gezeigt und einen Typen angesprochen habe, fühlte ich mich grossartig. Zugegeben, die drei Bier intus haben nachgeholfen, aber wie auch immer – Hauptsache, ich habe mich überhaupt getraut.
Für wen ich meine Angst vor Zurückweisung mit einem grossen Schluck Gerstensaft runtergeschluckt habe und wem ich sogar im Club nachgerannt bin, um ihm meine unterdrückten Gefühle zu gestehen? Meinem Gin-Tonic-schwingenden Traumtypen in tanzverschwitzter Rüstung. Ehrlich, die Schwärmerei hatte er verdient. Mit Betonung auf «hatte».
Wo bleibt denn da die deutsche Sprache?
Als ich am nächsten Morgen – nach einem angenehm aufregenden Gespräch und Nummerntausch im Club – eine Nachricht meines Mister «Nach dir habe ich schon lange gesucht» auf dem Handy sah, zuckte meine Libido allerdings ganz schnell zusammen. Das Problem: Seine absolut unterirdische Rechtschreibung. Offenbar pflegt er es, die Regeln der deutschen Sprache zu ignorieren.
Die Abkürzung «sh» für «sch» hat mich sein süsses Lächeln ganz schnell wieder vergessen lassen und jeder Funken erotischer Anziehung, den ich die Nacht zuvor verspürt hatte, ist mit steigendem Zwinker-Emoji-mit-rausgestreckter-Zunge-Gebrauch erloschen. Auch die lexikalischen Ausflüge in die Abgründe der englischen Umgangssprache versetzten mich vielmehr in einen Schockzustand als in Ekstase. Verdammt, er wäre doch so perfekt gewesen.
«Bald mal Lust auf das best Date ever?»
Um der heranschwappenden Welle der Empörung gleich mal den Wind aus den Segeln zu nehmen: Nein, ich bin selbstverständlich nicht fehlerlos. Und nein, ich bin auch kein Verfechter der einwandfreien Rechtschreibung, wie es etwa Grammatik-Nerds sind, die nach der Korrektur von falsch gesetzten Kommas so erregt sind, dass sie sich wohl kaum noch dreckige Pornos reinziehen müssen.
Aber ist eine Unterhaltung in deutscher Sprache – in ganzen Sätzen und ganz ohne den Gebrauch von unnötig «freshen» Anglizismen – echt zu viel verlangt? Offenbar schon. Schade.
Dass sich mein vermeintlich Zukünftiger, mit dem ich mich schon sonntags im Bett liegend und kuschelnd sah, tatsächlich zu weigern scheint sich der deutschen Sprache anzunehmen, deprimiert mich. Seine Nachrichten zu lesen quält nicht nur meinen Verstand, sondern trocknet da unten so ziemlich alles aus. Trotz unglaublich grosser Anziehungskraft am Vorabend. Auf seine Frage, ob ich bald mal Lust auf das «best Date ever» hätte, gabs für mich deshalb nur eine Antwort: Danke, aber nein danke. Nur wer sich mit mir in anständigem Deutsch unterhält, punktet.
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