Ich habe panische Angst vor Spinnen. Ich nähere mich den achtbeinigen Viechern nur so weit, dass noch mindestens zwei ziemlich grosse Staubsauger zwischen uns Platz hätten. Leider stellt sich dieses Problem als 25-Jährige mit eigenem Haushalt langsam aber sicher als nicht wahnsinnig praktisch heraus.
Um mich meiner Angst zu stellen und mich gegen diese schwarzen Geschöpfe der Hölle zu wehren, besuchte ich darum ein vierstündiges Angstseminar des Zoo Zürich. Und zwar am Samstagmorgen um acht. Fantastisch.
Noch keine Spinne weit und breit
Ich bin angespannt, als ich vor dem Zooeingang eintreffe. Glücklicherweise bin ich nicht die Einzige, deren Gesichtsblässe eine baldige Panikattacke vermuten lässt. Mit mir begrüssen knapp 15 weitere Spinnenangewiderte den Psychologen André Angstmann und Biologe und Spinnenexperte Sämi Furrer im Kurszimmer.
Spinnen finden sich keine darin. Zum Glück. Die Kursleiter versichern uns, dass sie nicht auf Schocktherapie setzen. Auf spinnenschmeissende Luftgewehre verzichten sie also im Seminar. Nett, danke. Vielmehr warnen sie uns permanent vor, wenn eine Spinne jeglicher Art – ja, auch eine Kinderzeichnung davon – präsentiert wird. Zusätzlich fragen sie jeden einzelnen Teilnehmer stets nach seinem Wohlbefinden. Ich beruhige mich allmählich und atme etwas auf.
Ich bin ein Weichei
Als zu Beginn jeder Teilnehmer von seiner ganz persönlichen Erfahrung mit Spinnen erzählt, merke ich, wie meine Stimme zu zittern beginnt. Fang jetzt bloss nicht an zu weinen! Ich versuche mich also zu konzentrieren. Ich wusste, dass ich diesbezüglich ein Weichei bin – aber eine so krasse Heulsuse?
Im nächsten Schritt erklären uns die Kursleiter, dass wir uns in Verbindung mit den gruseligen Achtbeinern neue Assoziationen ausdenken sollen. Statt an hässliche, schwarze, haarige und gefährliche Biester zu denken, sollen wir doch von nützlichen, flauschigen, faszinierenden Tieren sprechen. Zumindest soll unser Gehirn mit viel Training so die bereits eingetrichterten Verbindungen neu verknüpfen. Dass die «cuten Flauschetierchen» acht Augen haben, hilft aber nicht gerade.
Was, Spinne häuten sich?!
Nach den Aufwärmübungen kommt es endlich hart auf hart. Für meinen Geschmack zumindest. Wir dürfen die gehäuteten Reste einer Vogelspinne anfassen. Mir wird kalt, ich beginne am ganzen Körper zu zittern. Und weil meine Nerven wohl schon so am Ende sind und meine ganze Energie schon fast aufgebraucht ist, gähne ich im Minutentakt. Toll.
Ganz sachte berühre ich mit zitternden Finger ein gehäutetes Bein, als der Biologe mir die tote Spinnenhaut entgegenstreckt. Als mir die anderen Kursteilnehmer Mut zusprechen, stimme ich sogar zu, dass Sämi mir die Hauthülle auf die Handfläche legen darf. Wenn auch nur für eine Millisekunde. Ich krieg einige «super gmacht» und «wow, so guet» und fühle mich gut, irgendwie sogar etwas mächtig. Trotz bestehendem Schüttelfrost.
Tränen, Drama und Fremde
Weil tote Haut zu berühren aber irgendwie doch kein allzu grosser Erfolg ist, folgt nun die grösste Herausforderung des Tages: Eine lebende Vogelspinne – Sämis Haustier, das er liebevoll «Cassiopaia» getauft hat – auf den Handflächen rumkrabbeln lassen. Yay, ich will nach Hause.
Die ganze Gruppe steht mittlerweile nervös im Raum und versammelt sich wie eine Clique hibbeliger Teenager um die ersten Mutigen, die das schwarz-orange flauschige Monster auf ihren Händen willkommen heissen. Und mir wird nun plötzlich verdammt heiss. Leider nicht, weil ich neben einem unglaublich attraktiven Mann stehe.
Immer wieder füllt sich der Raum ob dem Stolz der Teilnehmer mit positiver Energie. Und das fühlt sich gut an. Doch obwohl mich die Tränen – nein, meine erstaunlicherweise nicht –, der Applaus nach der Begegnung mit der Spinne und das Zusammengehörigkeitsgefühl sich völlig Fremder zwar an eine eigenartige Therapiesitzung erinnern, beeinflusst die Atmosphäre auch mich. Ich will mir beweisen, dass ich es kann und halte tapfer meine Handflächen an diejenigen des spinnentragenden Kursleiters. Schliesslich versicherte er uns am Anfang des Seminars, dass in den letzten Jahren jeder einzelne Teilnehmer das Viech am Schluss in den Händen gehalten hätte.
Die Angst bleibt trotzdem
Also auch ich: Ich schliesse meine Augen, spienzle aber trotzdem bis sich die Vogelspinne auf meinen Händen austobt. Okay, das ist vielleicht etwas übertrieben: Sie wandert langsam mit ihren flauschigen Füsschen über die Finger. Und nach diesem Erfolg ist es mir auch egal, dass ich nach einer guten Sekunde den Schisser in der Hose kriege und die Spinne wieder loshaben will. Immerhin habe ich sie mir nicht tot gewünscht wie sonst – und das ist doch schon mal ein Fortschritt.
Ob ich nach vier Stunden geheilt bin? Wahrscheinlich nicht. Doch es sei ein Lernprozess, wie die Kursleiter immer wieder betonen. Das heisst: Spinnenbilder und Videos der Achtbeiner ansehen. Und zwar die nächsten paar Wochen, um das Thema zu desensibilisieren und mich mit den Spinnen vertraut zu machen. Die Angst kriege ich so schnell wohl nicht weg, interessant war die Erfahrung aber trotzdem.
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