Meine momentane Prüfungsphase an der Uni ist mal wieder geprägt von minimalem sozialen Kontakt – bei meiner konstant miserablen Laune vielleicht gar nicht mal so schlimm –, stressinduzierten Fressattacken und einer Reise zurück in die Pubertät. Ich bekomm Pickel. Herzlichen Dank, dass ich also nicht nur mit meinen Nerven völlig am Ende bin, sondern beim Blick in den Spiegel auch gleich noch einen Heulkrampf unterdrücken muss.
Leistungsnachweise in anderer Form
Wieso tun wir uns diesen Stress immer wieder an? Ist es nicht komplett sinnlos, sich über Wochen Fakten und Jahreszahlen ins Gehirn zu hämmern, die nach dem letzten Strich auf dem Prüfungsblatt gleich wieder im mentalen Papierkorb landen? Irgendwie schon, finde ich.
Darum sind Prüfungen für mich wohl auch genauso überflüssig wie Benimmregeln beim Verdrücken von Burgern und Pommes. Bei Leistungsnachweisen in Form von fundierten Arbeiten oder wöchentlichen Hausaufgaben wäre die Wahrscheinlichkeit, mein Interesse für ein Thema zu wecken und die eine oder andere Information tatsächlich für spontane Momente intelligenter Eingebungen wiederzuverwenden, wohl grösser.
Prüfungen müssen sein
Prof. Dr. Hans-Ulrich Grunder, Direktor des Instituts für Bildungswissenschaften der Universität Basel, ist da anderer Meinung: «Ich würde keinesfalls ein prüfungsfreies System bevorzugen, sondern ein notenfreies». Eine Leistungskontrolle müsse sein, die Beurteilungsformen könnten allerdings variieren.
Obwohl eine gewisse Offenheit gegenüber Neuem durchaus angebracht wäre, werde in der Schweiz in dieser Hinsicht aber immer wieder zurückgefahren. «Menschen können sich nicht vorstellen, Prüfungen ohne Noten zu absolvieren», sagt Professor Grunder. Dabei habe eine Prüfungsnote überhaupt keinen Prognosewert. Eine 4.5 in einem Mathetest sagt nichts darüber aus, wie ein Kind später mal in einer Berufsausbildung oder einem Studium abschneiden wird. «Es kommt einer Unverschämtheit gleich, pädagogische Professionals wie Lehrer zum Gebrauch eines so unvollkommenen Instruments zu zwingen», so der Experte.
Dann muss ich wohl weiterlernen
Und was wäre dann die perfekte Lösung, wenn Prüfungen in unserem System schon nicht wegzudenken sind? «Eine förderorientierte Beurteilung wäre sicher sinnvoll. Sie vermag Defizite aufzuzeigen und verweist darauf, wie die eigene Leistung künftig zu verbessern wäre», sagt Grunder.
Well shit, dann muss ich mir halt künftig weiterhin jedes Semester die Haare vor Verzweiflung ausreissen und mir wöchentlich die Stresstränen von zig selbergeschriebenen Zusammenfassungen wischen.
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